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Eine Stunde beim ambulanten Pflegedienst in Gelsenkirchen

Sabrina Polaschek arbeitet seit zwei Jahren als Pflegerin beim Ambulanten Pflegedienst Gelsenkirchen. Ihre Arbeit ist nicht immer einfach. Die WAZ hat die 28-Jährige eine Stunde lang auf ihrer Pflegerunde begleitet.

Sabrina Polaschek (28) steht auf der Straße an ihrem Wagen und holt ihr Handy heraus. „Könnt ihr meinen nächsten Patienten für mich übernehmen? TW, UK und vielleicht Fingernägel schneiden. Ich bin in Verzug“, erklärt sie dem Teilnehmer am anderen Ende. Für den Verzug sind wir verantwortlich. Wir begleiten die ambulante Pflegerin eine Stunde lang bei einer ihrer Touren. TW steht übrigens für Teilwäsche, UK für Unterkörperwäsche. Und weil wir das nicht wissen, müssen wir mal wieder nachfragen. Das kostet Zeit.

An diesem Tag ist Sabrina Polaschek um 5.20 Uhr in der APD-Zentrale an der Hansemannstraße in der Altstadt aufgeschlagen. „Wenn ich morgens komme, rauche ich erstmal eine Zigarette und trinke einen Kaffee. Dann packe ich die Medikamente ein. Wohnungsschlüssel muss ich teilweise auch mitnehmen“, sagt die gelernte Arzthelferin auf dem Weg zum Auto. (Die APD-Flotte hat insgesamt 70 Fahrzeuge.) Einige Patienten haben ihre Medizin auch zu Hause. „Wir sagen ,Patient’. ,Kunde’ geht auch, aber das hört sich an wie im Supermarkt.“ Bei dieser Tour kommt die 28-Jährige mit einem kleinen Etui aus: Blutdruckmessgerät, Blutzuckermessgerät, Handschuhe, Desinfektionsmittel.

„Erstmal wärmere Hände machen“

Als Sabrina Polaschek um 9 Uhr die Laube von Anna Büscher in der Kleingartenanlage in Bochum-Günnigfeld erreicht, hat sie bereits sechs Patienten „verarztet“. Während einer Schicht kommt sie auf neun bis zehn Patienten. Manchmal sind es sogar 12: „Je nachdem, wieviele eine Grundpflege bekommen.“ Und das heißt: „Waschen von oben bis unten und anziehen.“

Auch die 94-jährige Anna Büscher hat die Grundpflege „gebucht“. Das hat Sabrina Polaschek heute früh aber schon erledigt. Da hat sie die alte Dame auf einem speziellen Stuhl unter die Dusche gesetzt, sie eingeseift, abgeduscht, abgetrocknet und die Haare geföhnt. Anschließend hat sie ihr das Frühstück bereitet. Seit einem Jahr fährt die Altenpflegerin in die Kleingartenanlage.

„Wollen wir anfangen?“, Sabrina Polaschek setzt sich zur ihrer Patientin auf die Couch. „Aber erstmal muss ich mir wärmere Hände machen“, sagt die APD-Frau und reibt die Handflächen aneinander. Dann schiebt sie Frau Büscher den Ärmel des Morgenmantels hoch, legt ihr die Manschette des Blutdruckmessgeräts um den Oberarm, legt die Membran des Stethoskops auf ihre Armbeuge, steckt sich die „Hörer“ ins Ohr und pumpt die Manschette auf. „140:80“,sagt sie dann nach einem Blick auf das Instrument. „Das geht“, sagt Frau Büscher.

„140:80, das geht“

Anhand dieser Werte, die Sabrina Polaschek ganz zum Schluss ihres Besuchs in den Pflegebericht überträgt, bestimmt der behandelnde Arzt dann die Medikation. „Außerdem schreibe ich rein, wie die Patientin drauf ist, in welchem Zustand ihre Haut sich befindet und Besonderheiten“, sagt die 28-Jährige. Nach dem Blutdruckmessen geht’s dann nochmal ins Bad – Pullover und Kleid anziehen. („Schleife rechts oder links? Was würde das in München heißen?“) Und natürlich möchte eine Dame die Haare gekämmt haben! Dann noch eine Spange in den schlohweißen Schopf gesteckt und Anna Büscher ist so weit. Nein, noch nicht ganz: „Ich mache ihnen noch die Haare vom Kleid“, fährt Sabrina Polaschek ihrer Patientin mit der flachen Hand übers Kleid. Anschließend schüttelt sie der Dame die Bettdecke auf. Und dann heißt es auch schon Abschied nehmen. „Meist redet man noch ein bisschen“, sagt sie auf dem Weg zum Auto.

Die nächste Patientin wohnt in Ückendorf. Die 88-Jährige hatte erst im September einen Schlaganfall erlitten, krempelt ihren Ärmel fürs Blutdruckmessen alleine hoch. „150:70, sie sind heute ein bisschen aufgeregt, aber morgen ist es wieder gut“, sagt die APD-Frau, bevor sie die Medikamente der Dame aus den Verpackungen nimmt und fünf Tabletten in eine flache Schüssel auf dem Küchentisch stellt.

Dann aktualisiert sie noch den Pflegebericht und verabschiedet sich. Den Müllbeutel nimmt sie auch mit raus. Sabrina Polaschek nimmt sich die Zeit.

Aus der Arztpraxis in die Altenpfllege

Im Mai arbeitet die Rotthauserin Sabrina Polaschek seit zwei Jahren bei APD (Ambulante Pflegedienste Gelsenkirchen). Nachdem sie sechs Jahre lang als Arzthelferin beschäftigt war, nahm sie eine Tätigkeit in einem Altenheim in Castrop-Rauxel an: „Von der Pflege habe ich mich immer mehr angezogen gefühlt, als von der Arbeit in einer Praxis.“ Die Umstellung habe ihr keine Probleme bereitet. Es gebe allerdings Haushalte, „wo es nicht ganz so sauber ist“. Ein Messi sei hin und wieder auch dabei. Und „sehr viele Demenzpatienten, in allen Stadien“. Unangenehm sei es, „Menschen aus ihren Ausscheidungen zu holen“. „Die Arbeit ist nicht immer schön, aber manche kommen einem mit einem Lachen entgegen, das versüßt die Arbeit.“ Zu einigen Patienten habe sie sogar ein fast freundschaftliches Verhältnis, sagt Sabrina Polaschek. Das können auch Insulinspritzen, Verbandswechsel und das Anziehen von Kompressionsstrümpfen nicht vereiteln.

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