Die Kommunen dürfen sich in dieser Krise ihrer Verantwortung nicht entziehen
Kein Notfallplan für Ausfälle in der häuslichen Pflege, stattdessen eidesstattliche Erklärung für Bestellung von Mund-Nase-Masken: APD-Chef Claudius Hasenau zieht Bilanz der ersten vier Wochen Corona-Lockdown
Gelsenkirchen, im April 2020. Vor gut einem Monat führten Bund und Land Schutzmaßnahmen zur Verlangsamung der Corona-Infektion ein. Gemeinsam mit den Krankenhäusern, Alten- und Pflegeeinrichtungen stehen ambulante Pflegedienste bei der Bewältigung der Corona-Krise in der ersten Reihe. Trotzdem hat die häusliche Pflege bei politischen Entscheidungen häufig das Nachsehen. Die APD Ambulante Pflegedienste Gelsenkirchen GmbH ist mit 18 Demenz- Wohngemeinschaften und mehr als 500 Mitarbeitenden einer der größten privaten ambulanten Pflegedienste in Deutschland. Im Interview zieht der APD-Geschäftsführer Claudius Hasenau (Foto) eine erste Bilanz.
- Beruflich Pflegende sind für viele Menschen verantwortlich, die bei einer Ansteckung mit dem Corona-Virus in Lebensgefahr geraten können. Wie sehr belastet Sie das?
Claudius Hasenau: Auch in sogenannten normalen Zeiten tragen wir Verantwortung für die Menschen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind.
Schutzmaßnahmen mit einer solchen Breite und Tiefe wie derzeit stellen auch für uns eine Herausforderung dar. Momentan sind wir sieben Tage die Woche damit beschäftigt, diese bestmöglich zu meistern. Jeden Morgen, auch am Wochenende und an Feiertagen, bespricht sich eine Leitungsrunde, die die aktuelle Situation im Gesamtunternehmen reflektiert und Entscheidungen trifft. Ich persönlich versuche, eine sorgende Gelassenheit zu leben, merke aber, dass der Druck der Verantwortung steigt.
Bisher gibt es weder bei den Mitarbeitenden noch unter den Mieterinnen und Mietern im fahrenden Dienst oder in den Wohngemeinschaften eine bekannte Corona-Infektion. Wir werden alles Zumutbare tun, um dies auch weiterhin zu gewährleisten.
- Wie gut ist die häusliche Pflege in der Lage, mit einer Krisensituation wie Corona umzugehen?
CH: Solange meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Lage sind, trotz der Gefahrensituation, die die Pandemie mit sich bringt, ihre Arbeit zu tun und solange ihnen persönliche Schutzausrüstung in ausreichendem Maße zur Verfügung steht, können wir mit der Krise umgehen und die häusliche Versorgung sicherstellen. Sorgen macht mir die Frage, was passiert, wenn ein Großteil der Mitarbeitenden durch eine Quarantänesituation oder eine eigene Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, ihre Patienten zu begleiten. Momentan stehen noch alle Zeichen auf Grün, wir haben keinen erhöhten Interventionsbedarf. Das kann sich aber durch externes Geschehen oder behördliche Auflagen sehr schnell ändern. Ich bedaure sehr, dass sich die Stadt Gelsenkirchen den dringenden Bitten der Pflegedienste verweigert hat, unter kommunaler Federführung gemeinsam mit allen Akteuren der Stadt einen Notfallplan für Coronabedingte Leistungseinschränkungen in der häuslichen Pflege aufzustellen. Die Folgen dieses Versäumnisses sind noch nicht absehbar.
- Wie gehen Sie mit Personalausfällen in Ihrem Unternehmen um? Können Sie auf eine Personalreserve zurückgreifen?
CH: Über einen Notfallplan können wir innerhalb von Stunden Pflegefachkräfte in Vollzeit aktivieren, die Ausfälle im Personalbereich zumindest vor- läufig kompensieren. Das sind Mitarbeiter aus der auf Anordnung des Landes NRW geschlossenen Tagespflege, die sich Kurzarbeit befinden, Mitarbeiter aus der Pflegeberatung und Teilzeitkräfte, die im Notfall bereit sind, auf Vollzeit umzuschalten. Die Bereitschaft zu helfen ist riesengroß. Bei einer Verschärfung der Situation, kann jedoch eine Überschreitung der Belastungsgrenze nicht ausgeschlossen werden.
- Haben sich die Arbeitszeiten und die Arbeitsbedingungen Ihrer Pflegekräfte in dieser Zeit verändert?
CH: Durch die erhöhten Schutzmaßnahmen haben sich die Arbeitsbedingungen deutlich verändert. Die Arbeit mit dem sogenannten Mund-Nase Schutz (MNS) kann belastend, körperlich anstrengend und zeitaufwändiger sein. Was die Mitarbeitenden aber besonders belastet, ist es, täglich und hautnah die Angst der Patienten wahrzunehmen. Sie versuchen, die Patienten in ihren Sorgen abzuholen – wie ein Sozialarbeiter. Das zeigt sich besonders in der ambulanten Pflege, wo es viele Ein-Personen-Haushalte