Was Pflege-Azubis verdienen, ist für uns geradezu Luxus

Aus Hanoi ins Ruhrgebiet: Fünf Vietnamesinnen absolvieren eine Ausbildung zur Altenpflegefachkraft bei der APD und unterstützen mit ihrer Vergütung die Familien in der Heimat

Gelsenkirchen, im Januar 2020. Wenn sich die Menschen Vietnam am morgigen Samstag, 25. Januar, ein frohes neues Jahr wünschen, können fünf junge Frauen das wichtigste Fest ihres Heimatlandes nur via Skype mitfeiern. Mehr als 9.000 Kilometer entfernt absolvieren sie eine Ausbildung zur Altenpflegefachkraft bei der APD Ambulante Pflegedienste GmbH in Gelsenkirchen. Die Bilanz nach ihrem ersten Ausbildungsjahr fällt positiv aus: „Wir wollen bleiben und Menschen pflegen.“ Auch die APD stellt ein gutes Zeugnis aus: „Wir sind mit dem Pilotprojekt sehr zufrieden und können uns eine Fortführung gut vorstellen,“ sagt APD-Ausbildungsleiterin Mareike Finger.

Alle fünf haben in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi ein halbjähriges Praktikum in einem Seniorenzentrum gemacht. „Dort habe ich von der Möglichkeit erfahren, die Ausbildung in Deutschland zu machen“, erklärt die 22-Jährige Pham Thi Hue. Die Verbindung entstand durch eine Kooperationsanfrage der Fresenius Schule in Herten. Letztere hatte ein neues Projekt gestartet und war durch eine Anwerbe-Initiative der APD für Pflegekräfte aus Serbien auf die APD aufmerksam geworden.

Die Deutschen sind viel pflegebedürftiger
„Die jungen Frauen waren anfangs noch schüchtern und zögerten, ihre Meinung zu äußern“, erklärt Mareike Finger, die die Ausbildung bei der APD leitet. In den Schulstunden zeigen sich die Vietnamesinnen sehr engagiert. „Bei uns zu Hause gibt es nicht viele Möglichkeiten, Arbeit zu finden“, sagt Pham Thi Hue. Die Arbeit mit alten Menschen macht ihr Spaß. „Die Kollegen und Patienten sind sehr nett.“ Im Unterschied zu ihrer Heimat seien viel mehr Menschen in Deutschland pflegebedürftig, wundert sie sich. Ambulante Pflege gibt es in Vietnam nicht. Diese Aufgabe übernimmt meistens die Familie. Alte Menschen kommen dort entweder ins Krankenhaus oder, wenn sie es sich leisten können, in ein Seniorenzentrum. Die Ankunft in Deutschland war für Pham Ti Hue ein kleiner Schock. „Ich komme aus einer kleinen Stadt, hier fahren so viele Autos.“ Aber sie hat sich schnell eingelebt. Regelmäßig telefoniert sie mit ihrer Familie.

 

Täglich zwei Stunden mit Eltern telefonieren
„Meine Mutter macht sich ständig Sorgen“, sagt Pham Diem Quynh und lächelt. Die 20-Jährige tauscht sich täglich zwei Stunden mit ihrer Familie aus, und das obwohl sechs Stunden Zeitverschiebung zu überbrücken sind. Pham Diem Quynh hat nach dem Abitur angefangen, deutsch zu lernen: „Ich wollte schon immer nach Deutschland kommen“, verrät sie. Ihr gefalle die Disziplin, aber auch, dass man viele Rechte und Chancen hat. In Gelsenkirchen fühlt sie sich wohl, auch wenn es einige Straßen gibt, die nicht so sauber sind. „Meine Praxisanleiterin ist sehr freundlich und hilfsbereit.“ Der Pflegejob in Deutschland ist ganz anders ist als in Vietnam: „Man hat viel mehr Hilfsmittel.“

Lustiges Miteinander in Azubi-WG
Nguyen Thi Phuong Linh dagegen findet vor allem den Verkehr in Deutschland gut. „Hier komme ich gut und günstig von A nach B. In Vietnam gibt es nur Mopeds oder man muss zu Fuß gehen“, erklärt die 21-Jährige. Sie lebt mit drei der vietnamesischen Azubis in einer WG. „Wir haben viel Spaß und fahren auch schon mal zum CentrO.“ Die Arbeit gefalle ihr viel besser als in ihrer Heimat, wo es nur in Großstädten Seniorenzentren gibt.

 

Shoppen macht Spaß
„Das Leben hier gefällt mir“, sagt auch Pham Le Minh Huyen (22). Das Einkaufen von Lebensmitteln sei viel einfacher. „Hier ist alles mit Preisen ausgezeichnet, zuhause erfährt man erst an der Kasse, was es kostet.“ Kleidung zu kaufen, sei allerdings etwas umständlich. Meist müssen die jungen Frauen die Hosen umschlagen, weil sie zu lang sind. An Gelsenkirchen gefällt der 22-Jährigen, dass es nicht so laut ist wie in ihrer Heimat. Auch sie telefoniert regelmäßig mit ihrer Familie und einer Freundin, die Krankenschwester in Vietnam ist.

 

Guter Verdienst in Deutschland
Tran Thi Nhat Linh fühlt sich ebenfalls wohl. Sie hat als Kind eine Zeit bei ihren Großeltern gelebt und telefoniert oft mit ihrem „Opi“. „Wir haben in Deutschland bessere Möglichkeiten zu arbeiten“, sagt die 20-Jährige. Auch der Verdienst ist ganz anders. In Vietnam verdienen Auszubildende in der Altenpflege lediglich 200 Euro, examinierte Kräfte 400 Euro im Monat. Den Vietnamesinnen erscheint die Ausbildungsvergütung – im ersten Jahr rund 1150,- Euro monatlich – deshalb beinahe luxuriös. Und so schicken sie auch ab und an Geld nach Hause, um ihre Familien zu unterstützen.

 

Vielfalt als Chance
Insgesamt haben die Frauen nach ihrem ersten Ausbildungsjahr einen positiven Eindruck von ihrem neuen Zuhause und ihrem Arbeitgeber gewonnen. Auch die APD ist zufrieden mit ihnen. Für die „United Nations of APD“ sind Frauen und Männer aus über zehn verschiedenen Nationen im Dienst, darunter Türken, Russen, Polen, Serben, Syrer und viele andere. Das Unternehmen betrachtet diese Vielfalt als große Chance. Mareike Finger: „Durch die vielen Muttersprachler können wir flexibler auf Situationen eingehen können, da die Pflegeperson häufig die Muttersprache seines Patienten beherrscht.“

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