Altenpflege-Experten aus Russland von APD-Demenz-WGs begeistert

Gute Beispiele für ein Altern in Würde: Verein „Perspektive Russland“ macht mit 43 Gästen aus Russland, der Ukraine und Georgien Halt bei Gelsenkirchener Pflegeunternehmen – Auswärtiges Amt unterstützt Expertenreise

Gelsenkirchen, im November 2019. Auf der Suche nach guten Beispielen für ein Altern in Würde machte der Verein „Perspektive Russland“ mit 43 Altenpflege-Experten aus Russland, Georgien und der Ukraine am 5. November Station bei der APD Ambulante Pflegedienste Gelsenkirchen GmbH. Das Interesse der Gäste aus den ehemaligen Sowjetrepubliken galt der Führungskultur des mit rund 500 Mitarbeitenden größten privaten ambulanten Pflegedienstes der Emscherstadt und seinen ambulant begleiteten Wohngemeinschaften für demenziell veränderte Menschen. Unterstützt wurde die Expertenreise durch das Auswärtige Amt.

In Gelsenkirchen empfingen die APD-Prokuristen Janina Bialon und Björn Schulte die Studienreisenden – in Vertretung von APD-Chef Claudius Hasenau, der zur selben Zeit als Tagungspräsident am Bundeskongress „Wohnen in Gemeinschaft“ eröffnete. Von der Spree aus bedankte sich Hasenau bei „Perspektive Russland“ für den Besuch in seinem Hause: „Wir freuen uns sehr über das wachsende Interesse an unseren Wohngemeinschaften. Vor 15 Jahren wurden wir für diese Wohnform noch als Spinner bezeichnet, heute haben sich die WGs zu einem Studienziel für Experten aus aller Welt entwickelt.“

Zu Besuch in Rotthausen und auf Graf Bismarck
Nach einer Präsentation des Familienunternehmens und einer Führung durch die APD-Zentrale und die Tagespflege am Margarethe-Zingler-Platz verteilte sich die Gruppe auf zwei Busse – einer rollte zum Generationenwohnprojekt „Leben auf Graf Bismarck“, wo die APD in einem modernen Neubau drei Demenz-WGs für 24 Mieterinnen und Mieter sowie zahlreiche Servicewohnungen begleitet, der andere nach Rotthausen, wo sich das APD-Wohngemeinschaftshaus „Leben in Rotthausen“ mit ebenfalls drei WGs für 24 Demenzkranke in einer umgebauten alten Schule zu einem lebendigen Stadtteilzentrum entwickelt hat.

Pflegequalität, die begeistert
Dass Menschen mit Betreuungsbedarf in familienähnlicher Atmosphäre und weitestgehend selbstbestimmt in einer Wohngemeinschaft alt werden können, ist in den ehemaligen Sowjetrepubliken eine noch völlig unbekannte Wohnform. Alte Menschen werden in den meisten Fällen zuhause von Angehörigen gepflegt, nur wenige leben in Heimen. Entsprechend beeindruckt zeigten sich die Gäste von der Wohnqualität, dem Raumangebot und dem inhaltlichen Konzept einer der eigenen Häuslichkeit nachempfundenen Wohn- und Lebensform im Alter, das die APD-WGs bundesweit bekannt gemacht hat. „Hier ist es richtig schön und gemütlich – wie zuhause“, lautete die einhellige Meinung. „In unseren staatlichen und privaten Altenheimen leben im besten Fall sechs Personen in einem einzigen Raum, manchmal können es auch zwölf sein“, berichtete Jewgenij Tkatschow, Leiter eines Hospizes in der Region Donezk/Ukraine.

Zielgerichtet Kontakte knüpfen
In einer Feedback-Runde äußerten sich die Studienreisenden begeistert über die Abstimmung der Prozesse in der Pflege, die Planung des ambulanten Dienstes, das Kümmern um die Pflegebedürftigen und die Wertschätzung jedes einzelnen Mitarbeitern. Fazit: „In Russland wird es noch lange dauern, bis unsere Altenpflege einen so hohen Standard erreicht.“ Für den Projektkoordinator Jacob Riemer aus Berlin sind solche Aussagen nicht weiter verwunderlich: „In den ehemaligen Sowjet-Republiken ist die Altenpflege überwiegend staatlich geregelt. Heimplätze sind rar gesät. Von der Idee, Altenheime mit 1.000 Plätzen zu bauen, habe man aber Abstand genommen. „Es gibt bisher nur wenige Privatunternehmen, die sich engagieren“, so Riemer. Die Infrastruktur sei deshalb sowohl fachlich als auch organisatorisch-institutionell bislang noch wenig entwickelt, insbesondere was den Bereich der Altenpflege außerhalb der Familie betreffe. Die Expertenreise diene dazu, die Experten mit dem bedeutenden Erfahrungsschatz deutscher Träger in Kontakt zu bringen. Sie sollen gute Beispiele kennenlernen und zielgerichtet Kontakte zu deutschen Partnern knüpfen. Jakob Riemer: „Wir sehen die Reise auch als Beitrag zur Vertiefung und Erweiterung der deutsch-russischen Beziehungen. Zielgerichteter Fachaustausch kann an einer Stelle Brücken schlagen, wo die Konfliktlinien der ,großen Politik‘ allzu oft für Sprachlosigkeit sorgen.“

Brücken gebaut – Dialog begonnen
Beim Feedback nach einem erlebnistreichen Tag Gelsenkirchen waren sich alle einig: Hier wurden Brücken gebaut und Dialoge begonnen – wertschätzend und auf Augenhöhe, sagen die APD-Qualitätsbeauftragte Janina Bialon und Pflegedienstleiter Björn Schulte, beide Prokuristen des Unternehmens, ihr Fazit: „Beide Seiten konnten voneinander lernen. Bei den Experten war das richtige Verständnis für eine angemessene Pflege vorhanden, doch bislang lassen die gesetzlichen Strukturen ein Vorandenken und Voranschreiten teilweise nicht zu. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Regionen auf unterschiedlichem Niveau arbeiten. Jeder versucht, für seine Region das Beste zu erreichen.“ Besonders gefreut hat die APD-Führungskräfte das Lob, mit dem die Gäste nicht hinter dem Berg hielten: „Ihr seid die Besten!“ Besondere Erwähnung fand der Umgang mit den Mitarbeitern und die Angebote, die ihnen das Unternehmen macht. Das Dienstleistungsportfolio sei ganzheitlich auf den Menschen ausgerichtet, der Hilfe benötige, nicht auf einen möglichen Abrechnungszeitraum.

Offener Austausch
Bei einem gemeinsamen Abendessen sprachen die Gäste offen an, warum die ehemaligen Sowjetrepubliken noch nicht den Standard erreichen konnten, der in Deutschland gilt. Persönlichkeitsrechte sind längst noch nicht ausreichend verankert. Um Heime werden Mauern mit Videoüberwachung errichtet, der Betreuungsstatus der Menschen geht nach dem Einzug ins Heim auf das Heim über. In dem riesigen Gebiet Georgiens, Russlands und der Ukraine gebe es nur rund 1.500 Alten- und Pflegeheime, alles andere erfolge ambulant. Eine staatliche Überprüfung der Leistungen finde nicht statt. Jeder Dienst könne hinter geschlossenen Türen schalten und walten, wie er wolle. Eine standardisierte Pflegeausbildung für ganz Russland gebe es nicht. Erst vor kurzem sei in einer Region ein Regelwerk für einen Altenpflegehelferausbildung entwickelt worden. Dieses Regelwerk habe jedoch keine Gültigkeit für ganz Russland.

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